Schritte aus der Angst

Ein sechsjähriges Mädchen wird ohne erkennbaren Grund auf einmal von schwermütigen Zuständen getroffen. Eltern und Geschwister finden das Kind immer wieder unter einer Treppe, wo es sich zitternd vor Angst versteckt hat. Oft sind es Winzigkeiten, die eine lähmende Angst in der kleinen Emilie Engel auslösen.
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Schritte aus der Angst

M. Nurit Stosiek in: Mein inneres Geichgewicht finden

Ein sechsjähriges Mädchen wird ohne erkennbaren Grund auf einmal von schwermütigen Zuständen getroffen. Eltern und Geschwister finden das Kind immer wieder unter einer Treppe, wo es sich zitternd vor Angst versteckt hat. Oft sind es Winzigkeiten, die eine lähmende Angst in der kleinen Emilie Engel auslösen. – Jahrzehnte später sehen wir sie als Eine innerlich gelöste und fröhliche Frau die fähig ist, große Belastungen durchzutragen. Sie ist Mitgründerin des ersten deutschen Säkularinstitutes, der Schönstätter Marienschwestern. Bis zu ihrem Tod hat sie dort Führungsaufgaben. Und das, obwohl eine schwere Krankheit ihre körperlichen Kräfte ständig vermindert und fortschreitende Lähmungen sie immer mehr einschränken.

Doch die Menschen sind von ihrer außergewöhnlichen Ausstrahlung angezogen. Eine junge Frau, die ihr zu dieser Zeit – kurz vor ihrem Tod – begegnet, sagt danach: Es schien, als „leuchtete“ der ganze Raum durch sie. Dieses tiefe Leuchten aus ihrer Seele und auf ihrem Gesicht bei einer so großen körperlichen Gebrechlichkeit, die fast dahinter verschwand, bleibt mir unvergesslich.

Hinter einem solchen Weg steht eine besondere Führung Gottes. Ihn hat Schwester M. Emilie als den unendlich barmherzigen Vater erlebt, der nur gut ist und es nur gut mit uns meint. So hat sie gelernt, sich gerade im Dunkel ihm immer mehr zu überlassen.

Es waren ganz konkrete Schritte, die ihr halfen, mit ihren Ängsten umzugehen. Einen Tag vor ihrem Tod schrieb sie in einem Abschiedsbrief: Wir dürfen „nicht vor einer gewissen Mauer Halt machen, die bei jedem wieder anders aussieht … Also mutig voran. Nur nichts aufschieben!“

Es sind Schritte, die auch uns helfen können, uns bei Alltagsängsten schneller zurechtzufinden und sie zu überwinden: 

© Schönstätter Marienschwestern

Gleichgewicht, Koffer, Schienen, Angst überwinden

© M. Nurit Stosiek in: Mein inneres Geichgewicht finden

Das Helle suchen

Wer Angst hat, entwickelt schnell einen „Katastrophenblick“: alles scheint schlimmer, dunkler, auswegloser. Schwester M. Emilie hat es sich angewöhnt, täglich die „Lichtpunkte“ zu suchen: die Augenblicke, in denen sie Gutes erfuhr und Gutes tun konnte, in denen Gott sie beschenkte. Jeden Tag die lichtvollen Seiten sehen – das hellt die Seele auf und hilft, mit Ängsten umzugehen.

Perfektionismus in kleinen Raten überwinden

Wer zu hohe Ansprüche an sich stellt, gerät leicht in einen seelischen Engpass. Das erzeugt Angst. Mit Hilfe Pater Kentenichs lernt Schwester M. Emilie, Menschlichkeiten bei sich und anderen anzunehmen – weil Gott uns in unseren Schwächen liebt. Sie sagt: „Ich bin mir zwar meiner Armseligkeit bewusst, aber ich rechne immer mit der barmherzigen Liebe Gottes.“

Vertrauenssprünge trainieren

Wer Angst hat, will alles absichern und gerät gerade dadurch in noch größere Engen. Schwester M. Emilie lässt sich immer wieder herausfordern, Unsicherheiten Gott zu übergeben. Ob es fehlende Nahrungsmittel in der armen Nachkriegszeit sind, gesundheitliche Belastungen, seelische Nöte oder Ausweglosigkeiten im Blick auf die Situation Schönstatts: Ständig neu übt sie den „Sprung“ über die Mauer.

Mücken Mücken sein lassen

Manche Ängste entstehen, weil wir Kleinigkeiten dramatisieren. Das Gegenmittel heißt Tapferkeit. Als einer jungen Frau warme Grützensuppe – ein für sie ungewohntes Essen – ungenießbar erscheint, sagt Schwester M. Emilie ihr lächelnd: „Du wirst tapfer sein“. Die junge Frau lächelt zurück und isst… – Tapferkeit ist die Kraft, den eigenen Ängsten gewachsen zu sein. Deshalb beginnt sie in den kleinen Alltäglichkeiten. Wer der kleinen Herausforderung nicht ausweicht, entwickelt Kraft, auch größere Ängste zu bestehen.

Einfach aushalten

Manche Ängste verlieren an Schärfe, sobald wir anfangen, sie auszuhalten. Bei Schwester M. Emilie waren das zum Beispiel die langen Zeiten ihrer Krankheit. Um auszuhalten, müssen wir einen Sinn dahinter sehen. Ihr Sinn war der Gedanke: Das kann fruchtbar werden für andere. Es steht im Liebesplan Gottes für mich.

Innerlich aktiv werden

Angst hat mit Ohnmacht zu tun: Ich bin unfreiwillig einer Situation ausgeliefert. Ein Mittel, das Schwester M. Emilie hier hilft: Sie wandelt die Überforderung in eine Zärtlichkeit: Lieber Gott, wenn du mich in dieser Ohnmacht willst – ich nehme es an aus Liebe zu dir. Du wirst mir dann neu deine Liebe zeigen. So verliert sich der Stachel, der Angst hilflos ausgeliefert zu sein.

Nach den Geschenken Ausschau halten

Angst ist begleitet von dem Gefühl, Wichtiges zu verlieren. Als die Aussicht auf Genesung für Schwester M. Emilie immer geringer wird, betet ihre Umgebung um ein Wunder. Sie sagt daraufhin: „Wenn der liebe Gott unser Gebet auch nicht so erhört, wie wir das gerne hätten; ich lasse aber trotzdem nichts auf ihn kommen.“ Statt auf sich das Unerfüllte zu fixieren, hält sie Ausschau danach, was ihr Gott stattdessen schenkt. So erfährt sie: Gott schenkt oft anders, als wir es erwarten. Aber er schenkt das Bessere.

Das Grundwort „Ja“

„Charme ist die Art, wie ein Mensch ‚ja‘ sagt, ohne dass ihm eine bestimmte Frage gestellt worden ist“ (Albert Camus). Charme fließt aus seelischer Entspannung, nicht aus Angst. Ein Mensch, der sein Leben bejaht, wie es ist, wird gelassener. Schwester M. Emilie kann ihr Leben annehmen. Das gibt ihr die außergewöhnliche Ausstrahlung. Ein Lieblingsbild ist für sie der „Koffer“, in den wir alle Schätze unseres Lebens packen, um ihn Gott zu übergeben: Gott gibt uns den Koffer zurück und holt Tag für Tag etwas heraus. Tag für Tag müssen wir ihm neu unser Ja dazu geben. Das kostet oft einen Sprung. Aber so wächst auch Geborgenheit in ihm. Das ist Schwester M. Emilies Grunderfahrung: „Wir sind ja gut aufgehoben in den allerbesten Vater- und Mutterhänden, auch dann, wenn die Verhältnisse äußerlich nach Missgeschick aussehen.“

Mit meinem Gott überspringe ich Mauern (Ps 18,30)

Dieses Psalmwort ist im Leben von Schwester M. Emilie buchstäblich wahr geworden, weil sie in ganz kleinen Dingen auf Gott zuging, gerade in ihren Ängsten. Immer kindlicher und freier überließ sie sich dem Gott der Liebe, das machte sie innerlich frei von Ängsten. Ein Weg, den weltweit viele von ihr lernen. Vielen hilft sie dabei durch ihre Fürbitte – warum nicht auch uns!

Quelle: Mein inneres Gleichgewicht finden, Hrsg.: Schönstattbewegung Frauen und Mütter

 

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